RADOLFZELLER HANSELE

Bedeutung & Geschichte

Der Fuchsschwanz galt im Mittelalter als Symbol der Verschlagenheit

Wurden die Narrenattribute des Radolfzeller Hansele zur Gründungszeit positiv beschrieben (Fuchsschwanz als Symbol der närrischen Schläue, weißes Foulard als Zeichen der närrischen Reinheit, die grünen Ärmel als Symbole der Fruchtbarkeit der Felder rund um den Bodensee), geht die heutige volkskundlich-historische Forschung davon aus, dass Narren, historisch betrachtet, eher negative Gestalten waren.[1]

 

Die Fastnacht wurde als "civitas diaboli", als vom Teufel regierte, verkehrte, gottferne Welt ausgelegt, im Gegensatz zur Fastenzeit, die als "civitas Dei" eine Gott wohlgefällige Welt repräsentierte.[2] Im Zuge dieser Diabolisierung der Fastnacht traten dann neben Teufelsgestalten auch zunehmend Narren auf, die als gottesfern und als Inbegriff menschlicher Unzulänglichkeit galten. In diesem Zusammenhang wird der Fuchsschwanz als Symbol der Verschlagenheit gewertet. Auch die früher oft verwendete Bezeichnung „Fuchsschwänzer“ für betrügerische Menschen weist in diese Richtung.[3]

 

Als eindeutig negatives Accessoire erscheint in diesem Zusammenhang auch der Hahnenkamm. Der Hahn galt als die Verkörperung des Lasters der sexuellen Begierde. Bereits im Spätmittelalter werden Narren mit Hahnenkamm dargestellt. Der Hintergrund ist, dass der Narr angeblich seine sexuellen Gelüste nicht kontrollieren kann und darum durch den Hahnenkamm als solcher "entlarvt" wird. Das Fleischliche steht hier als Sündhaftigkeit im Gegensatz zur fleischlosen und Gott zugewandten Fastenzeit.

 

Letztendlich hat auch der Name „Hansel“ ursprünglich eine negative Bedeutung, er war bereits in der frühen Neuzeit als Bezeichnung für den Teufel gebräuchlich.[4]

 

[1] Auszug aus: Michael Fuchs: Geschichte der Radolfzeller Fastnacht, Radolfzell, 2016

[2] Siehe dazu zahlreiche Veröffentlichungen u.a. von Werner Mezger und Dietz-Rüdiger Moser

[3] Ausführlich in: Mezger, Werner: Narrenidee und Fastnachtsbrauch; Konstanz 1991, S. 258

[4] Ebd.: S. 106 und u.a. auch in Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 9, Sp. 2335

Hansele Nr. 1: Herbert Vittel (Gemälde vom Schlegele-Beck)


Hansele - Geschichte


Wahrscheinlich war es die Begeisterung, die damals das erste Große VSAN-Narrentreffen nach dem Krieg auslöste, das einen jungen Radolfzeller bewog, die Hanselgestalt wieder in die Fasnacht einzuführen. Herbert Vittel, der später als Narrenrat und Chronist von 1969 bis 1983 die Narrizella begleitete, präsentierte noch im selben Jahr des Narrentreffens, am 1. Juli 1950, den Prototypen des heutigen Radolfzeller Hansele. Die lange Narrenfreundschaft zur Offenburger Hexenzunft ist übrigens darauf begründet, dass die Hexen am 10.9.1950 zur Taufe des Hansele nach Radolfzell kamen und auf einem Bodensee-Schiff Pate standen.

 

Blätzle-Häser, wie das des Hansele, finden sich übrigens nicht nur in Radolfzell, sondern im gesamten Bodenseegebiet, dem Hegau und dem Schwarzwald, aber auch in Tirol und weiteren Ländern und Gebieten außerhalb Südwestdeutschlands. Entstanden ist das Blätzle- oder Flecklehäs in früheren Zeiten wohl aus der Verwertung alter Stoffreste, die einfach zusammengeflickt und auf einen alten Anzug aufgenäht wurden. Veredelte Häsformen heutiger Narrenzünfte waren früher den einfachen Leuten schon aus Kostengründen nicht zugänglich.

 

Herbert Vittel hat 1950 mit dem richtigen Gespür und der Unterstützung von Friedel Joos und Julius Graesslin ein Häs erschaffen, das heute zu den dominantesten Elementen der Radolfzeller Fastnacht gehört. Die Hanselegruppe bildet mit über 700 Hästrägern inzwischen die größte Gruppe der Narrizella Ratoldi.